ist Deutschland eine Steuerhochburg? Wenn man den gängigen Publikationen zu dieser Frage Glauben schenkt, kann man diese Frage eindeutig beantworten: Ja. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) untersucht jährlich die Steuer- und Abgabenlast in ihren Mitgliedsstaaten. Laut den Daten OECD-Bericht aus dem Jahr 2020 war Deutschland im Jahr 2019 Land mit der zweithöchsten Steuer- und Abgabenlast. Noch höher war die Belastung nur in Belgien. Auch 2 Jahre später hat sich diese Situation nicht merklich verändert: Laut dem OECD-Bericht für das Jahr 2021 zählt Deutschland auch während der Covid-19 Pandemie (und auch danach) wieder zur Spitzengruppe innerhalb der Hochsteuerländer.
Auch der generelle Konsens innerhalb der Gesellschaft in dieser Frage ist weitesgehend klar: Deutschland ist bekannt für seine hohen Steuern und Abgaben.
Vermeintlich.
Tatsächlich entspricht diese Vorstellung nicht ganz der Realität. Doch woher kommt dieser Mythos und warum hält er sich derart vehement?
Einerseits natürlich wegen Studien und Untersuchungen wie die der OECD. Diese Studien sind keineswegs falsch. Während die Ergebnisse im Anschluss in verschiedenen Medien rezipiert werden und damit in der Bevölkerung ein eindeutiges Meinungsbild schaffen, muss aber berücksichtigt werden, dass diese Studien keineswegs ein vollständiges Bild der Gesamtlage widerspiegeln (können).
In Deutschland ist nämlich ein regelrechter Steuerdschungel herangewachsen – und wo man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht – entstehen Irrglauben.
Wenn man ausschließlich die direkten Steuern ins Auge fasst, dann könnte man meinen, dass die Steuerlast in Deutschland tatsächlich sehr hoch ist. Um ein wahrheitsgemäßes Bild der steuerlichen Situation zu erhalten, darf man sich jedoch nicht nur auf die direkten Steuern, also beispielsweise die Einkommenssteuer und Sozialbeiträge, fokussieren. Insbesondere die indirekten Steuern machen nämlich den entscheidenden Unterschied: z.B. ist die Mehrwertsteuer in den meisten Ländern in der EU höher als in Deutschland. Ganz konkret liegt Deutschland hier mit 19 % innerhalb der EU auf dem drittletzten Platz (nur Luxemburg mit 17 % und Malta mit 18 % haben eine noch niedrigere Mehrwertsteuer).
Hinzu kommt, dass die Besteuerung von Kapitaleinkünften und Veräußerungsgewinnen in Deutschland vergleichsweise niedrig ist (um genauer zu sein, im europäischen Mittelfeld) – auch dieser Aspekt spiegelt sich in der oben genannten Studie nicht wider.
Immer wieder vernachlässigt wird zudem das altbekannte „von der Steuer absetzen“. In Deutschland gibt es vielfältige Möglichkeiten, die persönliche Steuerlast zu senken: Sei es über Transportpauschalen, Ehegattensplitting, Kinderfreibeträge, berufliche Fortbildungs- und Reisekostenübernahmen, Spesen u.v.m.; alle Abzugsmöglichkeiten einbezogen, ergibt sich ein signifikanter Unterschied.
Doch nicht nur diese Zahlen tragen zu einem trügerischen Eindruck bei. Auch auf die Steuerlastverteilung muss eingegangen werden. Die in den Vorjahren erfolgten tatsächlichen Steuerentlastungen haben überwiegend nur einen kleinen Teil der deutschen Steuerzahler begünstigt: Kapitalgesellschaften, Hochverdienende und Vermögende. Generell gilt: Vermögen wird in Deutschland eher weniger stark besteuert – Einkommen wird dagegen relativ stark besteuert. Single, jung und einkommensschwach zu sein, ist in Deutschland in steuerlicher Hinsicht eine besonders ungünstige Position.
Doch es gilt den Zweck nicht aus den Augen zu verlieren: Steuern finanzieren unser öffentliches Leistungssystem. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern liegt die deutsche Steuerlast im Mittelfeld und das Leistungsspektrum, das der Staat mit Steuern finanziert, ist vergleichsweise groß. Auch gehen mit Steuersenkungen andere wirtschaftliche und soziale Probleme einher, die im Rahmen der Diskussion zumeist keinen Anklang finden. Bei der Steuerdebatte handelt es sich in vielen Teilen um eine ideologische Fragestellung. Sollte der Staat nur sehr wenige Steuern erheben und dafür ein vermindertes Leistungsangebot bieten und mehr Eigenverantwortung an seine Bürger abgeben (liberale Position) oder sollte der Staat sehr hohe Steuern erheben, ein breites Leistungsangebot bieten und seinen Bürgern quasi keine Eigenverantwortung aufbürden (was aber mit hohen Kosten und historisch betrachtet, großen Ineffizienzen einhergeht)?
Um es mit Hanna Arendt zu sagen: „Wahrheit gibt es nur zu zweien“.
Die große Mehrheit von euch ist sich sicher: Die Steuer- und Abgabenlast ist in Deutschland zu hoch. Bei einer Umfrage mit über 2.100 Teilnehmern auf Instagram haben 86 % von euch erklärt, dass sie die Steuer- und Abgabenlast als zu hoch empfinden. Wie im obenstehenden einleitenden Statement schon beschrieben, ist diese Wahrnehmung nicht exklusiv den InvestScience Abonnenten auf Instagram zuzurechnen, sondern repräsentiert vielmehr einen breiten Konsens in der Gesamtbevölkerung.
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Simon von InvestScience